2013-10-14

Ist 2013 wirklich ein so später Weinjahrgang?

Die Reben blühten schon lange nicht mehr so spät wie in diesem Jahr: Frostige Temperaturen im Mai und ein heftiger Kälteeinbruch Ende Juni sind der Grund dafür. Diese langsame Entwicklung im Frühling 2013 fiel deshalb auf, weil in den vorangegangenen zwanzig Jahren fast ausnahmslos frühreife Jahrgänge zu verzeichnen waren. Verschiedene Medien haben die Sorgen einiger Produzenten aufgenommen und schrieben von einem besonders späten Jahrgang. Trifft das zu? Experten von Agroscope in Pully führen seit 1925 Buch über die Haupt-Entwicklungsstadien der Rebsorte Chasselas. Jetzt ziehen sie Bilanz.

Einzigartiges Monitoring der Auswirkungen von Klimaschwankungen auf die Reben-Entwicklung in der Genfersee-Region
Die Beobachtungsreihe der Rebsorte Chasselas in Pully stellt für die Schweiz eine einzigartige Referenz dar. Dies aufgrund ihrer Dauer (89 Jahre) und der systematischen Datenerhebung zu den zentralen Entwicklungsstadien der Rebe: Austrieb, Beginn und Ende der Blüte und Beginn der Fruchtreife. Die Traubenreife wird seit 1933 dokumentiert. Dadurch lässt sich ermitteln, ob ein Jahrgang frühzeitig zur Reife gelangt. Dazu wird der Zuckergehalt der Trauben am Stichtag mit früheren Daten verglichen. In diesem Fall ist der 20. September der Stichtag.

Schwieriger Saisonbeginn 2013
Der kalte März 2013 verzögerte den Austrieb der Reben. Erst am 23. April und somit genau zehn Tage nach dem Durchschnitt der Jahre 1925 bis 2013 trieben sie aus. Nach einem relativ normalen April fiel der Mai sehr kalt und feucht aus (2,5 bis 3,0 °C unter der Norm). Dadurch kam die Entwicklung der Reben fast vollständig zum Stillstand. Auf die warme erste Juni-Hälfte folgte ein Kälteeinbruch in der zweiten Monatshälfte.

Diese Wetterbedingungen führten zu einer beachtlichen Verspätung der Blüte, die erst am 1. Juli einsetzte. Im Mittel der Jahre 1925-2013 trat der Beginn der Blüte hingegen bereits am 15. Juni ein. In den letzten zwanzig Jahren sogar am 12. Juni.

Völlig neue Situation im Juli
Auf diesen äusserst unwirtlichen Frühling folgte glücklicherweise ein prächtiger Sommer im Juli und August. Lediglich ein paar heftige Gewitter mit Hagel richteten in einigen Rebbergen Schaden an. MeteoSchweiz meldete sogar, dass es sich um den siebtwärmsten Sommer seit Beginn der nationalen Messungen 1864 handelte. Die Blüte begann am 1. Juli und endete bereits am 8. Juli. Somit konnte der Rückstand reduziert werden. Während der Rückstand zu Beginn der Blüte noch zwei Wochen betrug, waren es am Ende der Blüte nur noch 9 Tage.

Unter den günstigen Sommer-Bedingungen begann die Reife am 18. August. Der Rückstand reduzierte sich auf noch 5 Tage verglichen mit dem Durchschnitt von 1925-2013 (respektive auf 11 Tage verglichen mit den letzten 20 Jahren). In diesem Stadium kam der Jahrgang 2013 den Jahrgängen 1942, 1954, 1961, 1967, 1969, 1973, 1974, 1984 und 1987 nahe. Von diesen Jahrgängen waren 1942, 1961, 1967 und 1969 hervorragende Weinjahre.

Gute Bedingungen für den Reifebeginn
Die äusserst guten Bedingungen zu Beginn und gegen Ende des Monats September wirkten sich positiv auf die Reife aus. Der Zuckergehalt der Trauben wurde am 20. September kontrolliert und lag bei 65,2 °Oechsle. Der Mittelwert der Jahre 1925-2013 lag dagegen bei 68,8 °Oechsle. Die Trauben erreichten diesen Wert übrigens 3 Tage später, am 23. September. Somit konnte der grosse Rückstand von fast zwei Wochen, der bei Beginn der Blüte festgestellt wurde, Ende September fast vollständig aufgeholt werden. Seit 1933 hat man bei einem Viertel der Jahrgänge am 20. September einen Zuckergehalt im Most gemessen, der deutlich unter dem Wert von 2013 lag. 2013 kann somit nicht mit anderen, sehr späten Jahrgängen verglichen werden - wie etwa 1935, 1963, 1972, 1977 oder 1978, deren Most an diesem Stichtag keine 55 °Oechsle erreichte. Noch weniger lässt sich der aktuelle Jahrgang mit 1939, 1965 und 1980 vergleichen, die in trauriger Erinnerung geblieben sind, da die Messwerte unter 50 °Oechsle stagnierten!

Die Weinlese 2013 dürfte somit im Oktober erfolgen - zu einem Zeitpunkt, der über eine längere Dauer betrachtet durchschnittlich ist. Die Wetterbedingungen der kommenden Wochen werden für die definitive Qualität des Jahrgangs ausschlaggebend sein. Im Moment sieht es gut aus für den Weinjahrgang 2013.

Quelle: Agroscope, Jean-Laurent Spring und Olivier Viret

Agroscope besteht aus den Forschungsanstalten Agroscope Changins-Wädenswil ACW, Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras und Agroscope Reckenholz-Tänikon ART und ist das Kompetenzzentrum des Bundes für Agrarforschung. Die drei bisherigen Forschungsanstalten werden ab 2013 organisatorisch zu einer einheitlichen Forschungsanstalt Agroscope unter der Leitung von Michael Gysi zusammengeführt. Die Forschungstätigkeiten werden weiterhin an den verschiedenen Standorten durchgeführt.


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