2017-10-07

Landwirtschaft zugänglich machen

Der Gutsbetrieb der Stadt Zürich betreibt Acker-, Obst- und Rebbau. Neu soll dies auf der Grundlage des biologischen Landbaus geschehen. Zudem hat er als städtischer Werkhof die Sportplätze sowie ökologische Ausgleichsflächen zu pflegen. Als Teil der Dienstabteilung Grün Stadt Zürich ist der «Juchhof» auch der Wissensvermittlung zu den Themen Umwelt, Landwirtschaft und Ernährung verpflichtet.

Winzer Nando Oberli (rechts) im Gespräch mit Reto Mohr von Grün Stadt Zürich. Oberli pflegt die Reben des Chillesteig in Höngg bis zur Weinlese. In den nächsten fünf bis sechs Jahren wird der Rebberg auf biologischen Rebbau umgestellt. (Bildquelle: Manuel Fischer)

Seit Jahren ist die grösste Stadt der Schweiz wieder auf Wachstumskurs, was sich auch in der Bautätigkeit niederschlägt. Doch weit mehr als ein Drittel der Stadtfläche ist immer noch unbebaut. Nicht weniger als 3773 Hektaren umfassen die Grünflächen der Stadt Zürich; Strassen- und Alleebäume, den Stadtwald, Parkanlagen und Villengärten, Sport- und Spielplätze, Biotope und Bachufer, Friedhöfe und Familiengärten. Hierzu gehören auch 810 Hektaren landwirtschaftlich genutztes Land, was fast einem Zehntel der gesamten Stadtfläche entspricht; davon sind rund zwei Drittel im Eigentum der Stadt.

Diese Vielfalt muss geplant, gestaltet, gepflegt und bewirtschaftet werden, damit sie der Lebensqualität der Stadtbewohner dient. Mit diesem breit gefächerten Aufgabengebiet ist die Dienstabteilung Grün Stadt Zürich betraut, dem auch der Gutsbetrieb Juchhof unterstellt ist.

Lebensmittel und Sport
Hierbei spielt der stadteigene Betrieb die Rolle eines agilen Kompetenzzentrums. Der Juchhof ist in zwei Hauptgeschäftsfeldern tätig: Zum einen soll der Betrieb einen Beitrag zur nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln auf Stadtboden leisten. Im Jahr 2016 wurde die Umstellung auf biologischen Landbau beschlossen. Lebendige Böden und eine hohe Biodiversität sollen langfristig erhalten bleiben.

Zum andern Teil ist das agrartechnische Know-how wichtig für die Bereitstellung der mannigfaltigen Gründienstleistungen auf öffentlichen Arealen der Stadt. Mitarbeitende des Juchhofs sorgen dafür, dass die rund siebzig Fussballfelder mit Naturrasen und viel genutzten Parkanlagen gut durchlüftet sind. Bis zu einer Tiefe von 12 bis 24 cm werden die Rasenflächen mechanisch mit Bolzen gestochen.

GPS  übernimmt Steuer des Traktors
Die Traktoren, die dabei zum Einsatz kommen, sind mit einem Reifendrucksystem ausgerüstet, um die Bodenbelastung auf den Grünflächen zu verringern. Ein GPS-System stellt sicher, dass die Schlagbolzen ihre Arbeit punktgenau verrichten. Während der Rasenbearbeitung übernimmt das GPS auch das Steuer des Traktors.

«So können wir eine effiziente und optimale Rasenpflege sicherstellen bei einer minimalen Bodenverdichtung», erklärt Reto Mohr, Leiter Geschäftsbereich Wald, Landwirtschaft und Pachten bei Grün Stadt Zürich, der auch auf den ökologischen Nutzen hinweist: «Durch den Einsatz der GPS-Steuerung reduzieren wir auch den Verbrauch von Kilometern und Dieseltreibstoff.» Zudem sind alle Traktoren mit Partikelfiltern ausgerüstet. Der Juchhof hat überdies die Aufgabe, Bachborde und Ökoflächen in Park- und Friedhofsanlagen schonend mit Messerbalken zu mähen

Naturschulen
Reto Mohr erläutert eine weitere Zielsetzung, dem sich der stadteigene Bauernhof verpflichtet sieht: «Wir haben eine ganz wichtige pädagogische Aufgabe. Viele Kinder und Jugendliche haben kaum mehr eine Ahnung, woher die Lebensmittel kommen. Hier setzen wir an: Wir machen Landwirtschaft zugänglich für die städtische Bevölkerung.» Konkretisiert wird dieser Bildungsauftrag im Angebot der Zürcher Natur- und Bauernhofschulen.

Grün Stadt Zürich wendet sich damit an die Zürcher Lehrkräfte. Die Naturbeziehung und -vertrautheit der Kinder und Jugendlichen sollen an verschiedenen Lernorten wie beispielsweise den Waldschulen (Hönggerberg, Adlisberg) sowie den Bauernhofschulen (Juchhof, Gfellerhof usw.) gestärkt werden. Über 220 Schulklassen besuchen jedes Jahr Bauernhöfe auf dem Gebiet der Stadt Zürich und lernen altersgerecht Grundlegendes über die Landwirtschaft. Auch der Juchhof hat in einem Stall mit Strohballen ein eigentliches Klassenzimmer eingerichtet. Zwar hat der Juchhof mit der Umstellung auf biologischen Landbau seine Milchviehherde wegen der fehlenden Weideflächen aufgegeben.

Kontakt mit Nutztieren
Eine kleine Rindviehherde, ein paar Mastschweine, Hühner, Kaninchen und zwei Ponys ermöglichen immer noch den engen Kontakt mit Nutztieren. Beim Ausmisten des Stalls und Füttern der Tiere können die Schulkinder mit anpacken.

Allerdings wenden sich die didaktischen Angebote von Grün Stadt Zürich längst nicht mehr nur an Kinder und Heranwachsende. Vermehrt entstehen unter dem Stichwort "Urban Gardening" attraktive Mitwirkungsmöglichkeiten für Jung und Alt (siehe rechte Spalte).

Städtischer Erholungsraum
Die aktuell neun Pachtbetriebe und der städtische Betrieb Juchhof tragen überdies wesentlich zur Gestaltung des städtischen Erholungsraums bei. Während ihrer Freizeit wollen städtische Bewohner durch gepflegte Fluren spazieren oder Velo fahren. Die Stadt Zürich hat mit ihrem eigenen Agrarland ein raumplanerisches Instrument in der Hand, um solche Freiflächen auf Jahrzehnte hinaus zu sichern.

Die Nutzflächen des Juchhofs für den Anbau von Brotgetreide, Mais, Raps und Futterpflanzen sind vorwiegend im Westen und Nordwesten Zürichs und auf angrenzenden Gemeinden zu finden. Ausserdem betreibt der Gutsbetrieb einen Hochstammobstgarten mit rund 200 Bäumen in Rümlang.

Zürichs Schmuckstück
Zum Juchhof gehört auch der rund 3,2 Hektaren grosse Chillesteig in Zürich-Höngg. Hier reift der Zürcher Stadtwein heran. Der Rebberg ist ein Kleinod, worauf nicht wenige Stadtzürcher stolz sind. Die verwendeten Traubensorten sind Räuschling, Riesling-Sylvaner, Pinot Gris, Pinot Noir, Cabernet Dorsa und Prior, woraus Rot- und Weisswein sowie die Zürcher Perle, ein Schaumwein, gekeltert werden.

In den nächsten fünf bis sechs Jahren wird der Rebberg auf biologischen Rebbau umgestellt; viele bald 50-jährige Weinstöcke werden entfernt und durch pilzwiderstandsfähige Sorten ersetzt. Winzer Nando Oberli pflegt die Reben bis zur Weinlese und kennt die damit verbundenen Anforderungen: «Es ist Zeit, den Boden wieder einmal aufzumachen. Da ging jetzt 50 Jahre lang nichts. Denn beim Bioweinbau ist die Bodenpflege das Wichtigste. Mit einer schnellen Nachhilfe dank mineralischem Dünger ist es vorbei; der gute Boden muss die Nährstoffe liefern.»

Weinbau eignet sich für Austausch mit der Bevölkerung
Durchs Jahr durch verursacht eine Rebanlage viele manuelle Arbeiten; beim Einschlaufen und Auslauben der Reben springt das Juchhof-Team ein. Gerade der Weinbau eignet sich hervorragend für einen intensiven Austausch mit der Bevölkerung. Während der Wümmet werden Freiwillige aufgeboten, die je nach Wetterlage «blitzartig parat sein müssen» und die Handgriffe kennen. Zudem übernehmen Weinliebhaber aus nah und fern Rebstock-Patenschaften. Zurzeit haben 600 Traubenstöcke einen Paten oder Patin; diese kommen einmal im Jahr vorbei, um ihren Wein zu verkosten.

(Quelle: schweizerbauer/Manuel Fischer/lid)


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Urban Gardening

Mit der Schaffung zweier Quartierhöfe kommt die Stadt Zürich dem Megatrend «Urban Gardening» oder «Urban Farming» entgegen. Seit 1997 wird der ehemalige Landwirtschaftsbetrieb Wynegg in Zürich-Riesbach von Quartierbewohnern geführt. Die rund 600 Mitglieder des Trägervereins sind in Gruppen organisiert, die sich um den Garten, die Obstbäume und die Tiere kümmern. Auf der Wynegg leben Hühner, Kaninchen, Wollschweine, Walliser Landschafe, Ponys und Maultiere. Unter der Leitung einer Agronomin werden Workshops zu verschiedenen Tätigkeiten durchgeführt.

Menschen aus unterschiedlichster Herkunft und Motivation betreiben hier ein gemeinsames Hobby. «Das Arbeiten in Gruppen hat auch einen wichtigen sozialen Aspekt für die Integration», so Reto Mohr von Grün Stadt Zürich. «Im Herbst gibt es immer ein Obstfest. Ein Stadtrat oder Stadträtin kommt vorbei und hält eine Rede. Der Termin ist bei den meisten Mitgliedern in der Agenda verankert.»