2009-06-03

Der Flaschengeist vom Zürichsee

«R3» steht hier nicht als Typenbezeichnung für einen Rennwagen. Es ist auch nicht die Bezeichnung einer geheimnisvollen neuen Rebzüchtung. «R3» steht für drei Winzer, drei Böden, eine Rebsorte, ein Wein.

Mit dem gemeinsamen Räuschling «R3 Räuschling AOC Zürichsee» wollen Monica Hasler Bürgi, Hermann «Stickel» Schwarzenbach und Eric Lüthi ihre Verbundenheit mit dem Terroir Zürichsee aufzeigen sowie ihr Qualitätsdenken, ihre Kenntnisse und Erfahrungen vereinen. Dabei steht die optimale Sortentypizität der alten, aber selten gewordenen, Rebsorte im Vordergrund. Um neben modernen Methoden und Techniken an frühere Tradition des Rebbaus am Zürichsee anzuknüpfen, kam bei der Gärung des «R3 Räuschling AOC Zürichsee» erstmals eine spezielle Naturhefe zum Einsatz.

Monica Hasler Bürgi und Matthias Bürgi, Weingut Rütihof Ürikon, Cécile Schwarzenbach, Eric und Susan Lüthi, Lüthi Weinbau Männedorf, und Herman «Stickel» Schwarzenbach, Schwarzenbach Weinbau Meilen, haben als Homage an das Weinbaugebiet Zürichsee und seine typische Rebsorte Räuschling gemeinsam den «R3 Räuschling AOC Zürichsee» kreiert.

Naturhefe aus einem 1895er Räuschling
Bei der Gärung des «R3 Räuschling AOC Zürichsee» kam erstmals die Naturhefe «1895» zum Einsatz. Diese konnte aus dem Bodensatz eines 1895er Räuschling aus dem Keller des Weingutes Schwarzenbach isoliert und vermehrt werden. Eine Arbeit, die Professor Gaffner in Wädenswil ausführte.

Bis Ende der 1940er-Jahre begannen die Trauben durch das Wirken der natürlichen Wildhefen zu gären. Ab den 1950er-Jahren setzten Winzer Reinzuchthefen ein und starteten und kontrollierten so die Gärung, ohne dass die Weine besser wurden. Seit 20 Jahren züchten die Winzer vermehrt ihre lokalen Hefen.

«1895», die echte Räuschling-Weinhefe, in natürlichen Prozessen optimal an Traube und Gärbedingungen adaptiert, prägt die Harmonie und Vielschichtigkeit des «R3»-Räuschlings. ?Die Traubenfür den «R3» wurden am 15. Oktober 2008 gelesen und der Most bei 16 Grad Celsius vergoren. Danach folgte der spontane Säureabbau auf 5,6 Gramm pro Liter und der Wein wurde um weitere 0,25 Gramm entsäuert. Als Nebenprodukt der Hefe entstand twa 0,5 Gramm Bernsteinsäure pro Liter. Die Bernsteinsäure hat dazu beigetragen, dass der 1895er mit nur 9 Volumenprozent Alkohol so lange gehalten hatte. Der junge Wein hat einen Alkoholgehalt von ungefähr 12 Prozent und reifte bis kurz vor dem Abfüllen im März 2009 auf der Feinhefe.

Auslese der Hauptlese
Der «R3 Räuschling AOC Zürichsee» wurde als «Auslese der Hauptlese» aus sorgfältig selektionierten Trauben der Meilener Lage «Aebleten», Schwarzenbach Weinbau Meilen, sowie der beiden Stäfner Lagen «Lattenberg», Lüthi Weinbau Männedorf, und «Risi-Rain», Weingut Rütihof Ürikon, gekeltert, welche gleichzeitig drei typische Bodenarten am Zürichsee repräsentieren: Sandstein-Verwitterungsboden mit sandigem Lehm («Aebleten»), tonig-lehmiger Boden («Lattenberg»; «Latte» = Lehm) sowie kieseliger Kalk-Mischboden auf Nagelfluh («Risi-Rain»).

Monica Hasler Bürgi, Weingut Rütihof Uerikon
«In meiner Arbeit erfahre ich Boden, Wetter, Flora und Fauna und deren Einfluss auf die Rebe. Ich möchte die Reben mit diesen Faktoren in Balance bringen», sagt Monica Hasler Bürgi. Als Winzerin und Biologin legt sie besonderen Wert darauf, die Reaktionen der Reben in ihrem natürlichen Vegetationsraum zu erkennen und die Bewirtschaftung danach zu richten. Sie sieht die Reben nicht nur als Produktionsfläche, sondern auch als Teil der vielfältigen Zürichsee-Landschaft und somit Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen.

Das 5 Hektaren umfassende Weingut Rütihof in Uerikon (Gemeinde Stäfa) wird seit 2004 in fünfter Generation durch Monica Hasler Bürgi und ihren Mann Matthias Bürgi bewirtschaftet. Auf den Stäfner Lagen Rütihof, Laubisrüti und Risi werden 8 verschiedene Traubensorten angebaut: traditionelle Sorten wie Räuschling, Riesling-Sylvaner und Blauburgunder aber auch Neuzüchtungen wie Regent und Cabernet Dorsa. Die Philosophie des Rütihofs lautet: Weinkelterung heisst nicht, Weine zu machen, sondern sie entstehen zu lassen. Hier geht es zm Rütihof.

Eric Lüthi, Lüthi Weinbau Männedorf
«Es ist ein Privileg des Winzers, das ganze Jahr über in der Natur arbeiten zu können», sagt Eric Lüthi. Seine Arbeit umschreibt er gerne mit: «Die Zürichsee-Stimmung in Flaschen einzufangen». Was würde sich dazu wohl besser eignen als der Räuschling, wenn folgende Landschaftseindrücke eingefangen werden sollen: Frische kühle Luft über spiegelglatter Wasseroberfläche an einem Sommermorgen, gespenstische Stille an nebligen Herbsttagen und zum Greifen nah liegende verschneite Berggipfel an frostig-sonnigen Wintertagen.

Seit 1998 baut Eric Lüthi an den Stäfner Seelagen Ueriker Risi, Sternenhalde und Lattenberg die Rebsorten Räuschling, Müller Thurgau, Pinot Gris, Scheurebe und Pinot Noir an. Er ist stolz darauf, bei einer Rebfläche von 1,6 Hektaren, die der Männedorfer Familien-Weinbaubetrieb von Eric und Susan Lüthi bewirtschaftet, jeden einzelnen Arbeitsschritt in sorgfältiger Handarbeit durchführen zu können und so lückenlos und direkt, vom Weinberg bis in den Keller seine Vorstellungen und Ideen zu verwirklichen. Hier geht es zu Lüthis Homepage.

Hermann «Stikel» Schwarzenbach, Schwarzenbach Weinbau Meilen
«Ohne den See bin ich nicht glücklich», sagt Hermann «Stikel» Schwarzenbach, womit er sogar eine Gemeinsamkeit mit dem Räuschling zu haben scheint, der am rechten Zürichseeufer besonders gut gedeiht. Hier glücklich zu sein, bedeutet aber auch, sich an das Klima, das stark durch den Föhn und den Wärmespeicher See geprägt wird, anzupassen. Nicht umsonst lautet die Devise im Hause Schwarzenbach: Wenn das erste grosse, vom Napfgebiet über den See kommende Gewitter Meilen erreicht, herrschen das ganze Jahr über problematische Wetterverhältnisse.

Das Weingut Hermann Schwarzenbach bewirtschaftet Rebflächen von insgesamt 6.9 Hektaren und gehört damit zu einem der grössten in der Region Zürichsee. In verschiedenen Seeparzellen gedeihen zwölf verschiedene Rebsorten. Bekannt ist Hermann «Stikel» Schwarzenbach vor allem für seinen Räuschling, Riesling x Sylvaner sowie verschiedene Blauburgunder-Variationen. Das 1911 gegründete Weingut Reblaube der Familie Schwarzenbach wird seit 1986 in vierter Generation durch Hermann und Cécile Schwarzenbach geführt. Hier geht es zu Schwarzenbachs Reblaube.

Erster Jahrgang: 2000 Flaschen
Vom ersten «R3»-Jahrgang 2008 wurden insgesamt 2000 Flaschen abgefüllt. Er Passt dank seiner zarten mineralischen Säure und frischen Zitrusaromatik wie kaum ein anderer Wein zum Fisch aus dem Zürichsee.
Wie die Präsentation am 3. Juni zeigte ist der junge «R3» bereits trinkreif. Doch die drei Winzer sind überzeugt, dass es sich lohnt einige Flaschen in den Keller zu legen und diese zu vergessen. Es müssen nicht unbedingt 114 Jahre sein.
Der «R3» ist bei allen drei Winzer erhältlich und kostet 28 Franken pro Flasche.


Back