2019-08-17

Mehltau: Nachlässigkeit hat schwere Folgen

Der Falsche Mehltau war, ist und bleibt eine der gefährlichsten Pilzkrankheiten in den Weinbergen. Diese Jahr zeichnet sich ein starker Befall der Reben im Zürcher Weinland ab.

Im Sommer 1886 trat der Falsche Mehltau erstmals sehr schlagartig in vielen Zürcher Reblagen auf. Dies fiel just in eine Zeit, als der Weinbau im Kanton Zürich und im benachbarten Ausland in einer grossen Krise steckte. Im Ausland war dies vor allem auf die Reblaus zurückzuführen. In der Schweiz hatte sie weniger Bedeutung. Nach sehr guten Weinjahren mit vorzüglichen Jahrgängen von 1860 bis 1877 brachten ab 1878 in der Ostschweiz Fröste, schlechtes Blütewetter und Fäulnis enttäuschende Jahre mit sehr kleinen Ernten hervor.
Der Ausbau des Eisenbahnnetzes setzte dem regionalen Weinbau zusätzlich massiv zu, denn nun konnte billigerer Wein über grössere Distanzen transportiert und eingeführt werden.

In dieser Riesling-Sylvaner-Parzelle hat nach dem Falschen auch noch der Echte Mehltau mit seinem typischen Krankheitsbild massiv zugeschlagen. (Bilder Roland Müller)

An diesen Rebstöcken hat der Falsche Mehltau dafür gesorgt, dass einzelne Traubenpartien oder gar ganze Blütenstände (Gescheine) nach dem Befall abgestorben sind.

Eingeschleppte Krankheit
«Zu allem Unglück trat neben der Reblaus 1886 in den meisten Gebieten der Falsche Mehltau verheerend auf. Diese aus Amerika eingeschleppte Krankheit verursachte bedeutend grössere Ausfälle als die Reblaus», schreibt der langjährige Zürcher Rebbaukommissär Kurt Pfenninger in einer 1986 erschienen Festschrift.

Der Falsche Mehltau – auch als Peronospora bezeichnet – wurde fatalerweise als Folge der Bekämpfungsmassnahmen gegen die Reblaus mit amerikanischem Unterlagenholz aus Übersee eingeschleppt und erstmals 1878 beschrieben. Der Erreger verbreitete sich sehr rasch über ganz Europa und verschärfte die Krise in fast allen europäischen Weinbauregionen. Glücklicherweise waren bereits dazumal schon wirksame Bekämpfungsmöglichkeiten mit der Bordeaux-Brühe bekannt (siehe Kasten).

Bekämpfungspflicht ab 1890
Doch mit der Bekämpfung des Falschen Mehltaus harzte es sehr. Viele Rebbauern glaubten nicht an den Erfolg. Zudem lehnte der Handel den Kauf von Trauben aus gespritzten Reblagen ab. Doch entgegen aller Gerüchte konnte über eine erfolgreiche Mehltaubekämpfung beispielsweise in Marthalen, Regensberg, Dübendorf oder Feuerthalen berichtet werden.

Am 9. Mai 1890 beschloss der Zürcher Regierungsrat, die Bekämpfung des Falschen Mehltaus nach der Blüte verpflichtend einzuführen. Zehn Jahre später wurde auch die Bekämpfung des Echten Mehltaus für obligatorisch erklärt.

Starker Befall im Jahr 2019
Dass Jahr 2018 war im Weinbau dank des heissen und trockenen Wetters mit einer sehr tiefen Luftfeuchtigkeit ein beinahe problemloses Pflanzenschutzjahr. 2019 waren die Voraussetzungen für Infektionen des Falschen Mehltaus im zweiten Quartal ideal. Auch im Kartoffelanbau war ein starker Krankheitsdruck vorhanden.

«Wir waren im Juni bezüglich dem Falschen und Echten Mehltau sehr gefordert, weil die Witterungsbedingungen für einen enormen Krankheitsdruck sorgten», hält der Oberhallauer Pflanzenschutzspezialist Hans-ueli Graf in einer ersten Bilanz fest. Bereits kleine Nachlässigkeiten beim Pflanzenschutz hatten schwerwiegende Folgen. So findet man beispielsweise in vielen Weinbaugebieten im Zürcher Weinland oder Schaffhausen einzelne Parzellen, die teilweise sogar Totalausfall aufweisen. Rückblickend stellt Graf fest, dass die Bedingungen bezüglich Blattfeuchte und eher milden Temperaturen mit hoher Luftfeuchtigkeit für eine Infektion des Falschen Mehltaus zwischen dem 10. und 25. Juni am kritischsten waren. «In dieser Zeit kam es zu teilweise massivem Befall insbesondere auch an den Gescheinen», so Graf.

(Quelle: Bauern Zeitung, Roland Müller)


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Der Zufall hat mitgeholfen
Die Möglichkeit, den Falschen Mehltau wirksam zu bekämpfen, ist einer zufälligen Beobachtung von Alexis Millardet (1838 bis 1902) zu verdanken. Der Professor für Botanik an der Universität Bordeaux (F) bemerkte, dass die Rebstöcke eines Weingartens mit dieser Krankheit befallen waren – der benachbarte Weingarten war ­jedoch von einem Befall verschont geblieben. Die Trauben der gesunden Rebstöcke waren zudem von einer hellblauen Schicht bedeckt.

Der Botanik-Professor befragte den Winzer der gesunden Trauben. Und dieser gab zur Auskunft, dass er die Wein­trauben mit einer Mischung von Kalk und Kupfersulfat besprüht habe, um Diebe abzuschrecken. Das war dazumal eine weithin übliche Vorgehensweise.

Daraufhin begann Millardet zu experimentieren und kreierte die hellblaue Mischung aus Kupfersulfat, Kalk und Wasser. Aus diesen Forschungs- und Versuchsarbeiten entwickelte er die von ihm so benannte «Bordelaise pulpe» oder die «Bordeaux-Brühe». Im Jahr 1885 empfahl er diese als erfolgreiches Mittel gegen die neue und bis dahin unbekannte Pilzkrankheit.

Damit wurde auch das Zeitalter von synthetisch herge­stellten Pflanzenschutzmitteln eingeläutet. Bereits im Jahr 1888 brachte der Dielsdorfer Chemiker Rudolf Maag ein Kupfervitriolpräparat auf den Markt, das als Spritzmittel einfacher angerührt werden konnte.

Auch Echter Mehltau
Vielerorts ist der Echte Mehltau bereits eine weitere Herausforderung, da er ebenfalls zu einem Befall der Gescheine führte. Gemäss Hansueli Graf waren die sehr heissen, über 30°C liegenden Temperaturen zwischen dem 23. und 30. Juni besonders problematisch. Die zweite Hitzeperiode in der zweiten Julihälfte ­sorgte für eine weitere Krankheitszunahme. Die Folgen sind zusätzlich zum Falschen Mehltau teilweise gravierend. Es wurden beachtliche Schäden festgestellt. Es zeigte sich, dass sich eine Vernachlässigung oder Experimentierfreudigkeit beim Pflanzenschutz im konventionellen wie auch Biolandbau fatal ausgewirkt hat. Betroffene Rebleute müssen mit massiven Ertragseinbussen bis zu einem Totalausfall rechnen.