2019-04-03

Rosé: ein Wein mit Biss

Einst als Frauenwein abgestempelt, gilt Rosé heute auch als Wein für echte Kerle. Rosé boomt. Modern gekeltert gewinnen die Produzenten damit neue Kunden. Interessant: anspruchsvolle Rosé haben eine erstaunliches Reifepotenzial.

Rosé rockt! Neue Jahrgänge haben Biss, «meh Dräck» wie Chris von Rohr bei Musik-Castings jeweils forderte. Die Zeiten der banalen Süssdrucke, wie Rosé-Weine auch genannt wurden, sind vorbei. Dabei hat sich auf den ersten Blick gar nicht viel geändert. Die meisten Rosé entstehen immer noch als Restenverwertung der Rotweinherstellung. Nach wie vor werden Rosé aus Trauben von jungen Rebanlagen gekeltert. Auch das konzentrieren der Rotweinmaische durch Saftabzug wird in fast jedem Keller praktiziert. Geändert hat sich hingegen der Denkansatz der jungen Winzergeneration. Mit gleicher Präztision engagieren sie sich für jeden ihrer Weine. Ihre Rosé leuchten Pink oder satt Himbeerfarben. Sie schmecken aromatisch und sind dank teilweisem oder ganz weggelassenem Säureabbau knackig frisch. Mit fröhlich-frechen Etiketten animieren sie ein junges Publikum zum Zugreifen.

Die Zeit bestimmt die Farbe
Abgesehen von «Schiller», für den weisse und blaue Trauben aus dem gleichen Rebberg zusammen gekeltert werden, entstehen Rosé-Weine immer aus blauen Trauben. Dabei reicht die Farbpalette der Rosé-Weine von weiss mit rosa Schleier über kitschiges Pnik bis hin zu einem dunklen Rot. Erstere entstehen, wenn blaue Trauben – ganz und mit Stiel oder entrappt, also nur die Beeren – sofort nach der Ernte gepresst werden. Das Ergebnis ist ein «blanc de noir» und dient vielerorts als Basis für die Schaumweinproduktion.

Doch auch stille Weine werden als «blanc de noir» bezeichnet. Ein Deutschschweizer Synonym dafür ist Federweisser. Deutsche Winzer bezeichnen damit weissen Suser und nennen ihre hellsten Rosé als Weissherbst.

Während der Kaltstandzeit der Maische gelangt Farbe aus den Beerenhäuten in den Most. Je länger der Winzer mit dem Pressen zuwartet, desto intensiver und dunkler wird die Farbe.

Von blass golden bis farbintensiv: Rosé hat viele Gesichter. Detaillierte Degustationsnotitzen gibt es auf weinlandschweiz.ch

Nebst direktem Pessen oder dem Pressen nach einer kurzen Standzeit ist der Saftabzug zur Konzentration der Rotweinmaische eine häufig angewandte Praxis. Saigné genannt, werden nach 12 bis 24 Stunden bis zu einem Drittel des Saftes abgezogen. Der verbleibende Saft nimmt in der Folge mehr Extrakt auf und ergibt dunklere, tanninreichere, reichhaltigere sowie geschmacksintensivere Rotweine. Der abgezogene Saft ist von bester Qualität und Rohstoff für sagenhafte Rosé.

Die Kellertechnik beeinflusst ?den Weinstil
Pressen oder saigné ist nicht mehr die entscheidende Frage. Innovative Weinmacher die pressen, trennen heute beispielsweise den Ablaufsaft vom Presssaft und vergären beide separat. Erst später verwenden sie Teile des gerbstoffreicheren Weins aus dem Presssaft als Würze für den Wein aus dem Ablaufsaft.

Die Weinmacher vergären spontan oder kontrolliert mit traubeneigenen Hefen. Sie achten auf eine vollständige Vergärung des Zuckers zu knochentrockenem, im Abgang fruchtbitterem Wein. Oder sie experimentieren mit dem Wechselspiel von Süsse und Säure. Das ergibt einfacher zugängliche, süffige Weine.

Kühle Gärtemperaturen sorgen dabei für Primärfrucht, die den Wein nach Bonbon oder Banane schmeckt lässt. Wer diese Aromen liebt, trinkt den Wein am besten jung. Während der Flaschenreifung werden die Primäraromen nach zwei bis drei Jahren abgebaut.

Schlanke Weine aus Trauben junger Reben erhalten mit einem längeren Ausbau auf den Feinhefen und regelmässiger Batonnage, bei der der Hefesatz auf dem Boden aufgewirbelt wird, Fülle und Schmelz. Nicht zu kräftige Weine eignen sich für die Herstellung von flaschenvergorenem Schaumwein. Auch der reift im Idealfall 15 Monate oder länger auf den Hefen.

Bei opulenten und tendenziell alkoholreichen Saigné-Weinen fördert das Auslassen oder Unterbinden des biologischen Säureabbaus die Eleganz. Kräftigen, körperreichen Weinen gibt der Ausbau in Barriques oder grossen Fässern zusätzlich Tiefgang.

Die Schweizer Spezialität
Rosé kann aus allen blauen Rebsodrten gekletert werden. Hierzulande sind dies vor allem die meistangebauten Sorten Merlot, Gamay und Pinot Noir. Der Pinot-Noir-Rosé geniesst als Oeil-de-Perdrix einen besonderen Status. Der Begriff Oeil-de-Perdrix stammt ursprünglich aus dem Burgund. Genau genommen beschreibt er einen Weinfehler. So werden ab dem 14. Jahrhundert Weissweine aus blauen Trauben damit bezeichnet, die bei der Kelterung die Farbe der Augen (Oeil) eines Rebhuhns (Perdrix) annahmen. Im Jahr 1861 liess Louis Bovet aus dem neuenburgischen Areuse die ersten «Oeil»-Etiketten drucken. Zur heutigen Spezialität wurde der Neuenburger Oeil-de-Perdrix erst nach dem Zweiten Weltkrieg. An Markenschutz dachte damals noch niemand. So wurde Oeil-de-Perdrix zum Gattungsbegriff für Schweizer Rosé-Weine aus Pinot Noir Trauben.

Ein Wein für das ganze Jahr
Junger, kühl servierter Rosé galt, und gilt vielerorts immer noch, als Sommer- und Terrassenwein. Gewiss: ein charaktervoller Rosé ist zur leichten Sommerküche und sogar zu Grilladen die erfrischendere Wahl als ein kräftiger Rotwein. Doch Rosé muss nicht im Jahr nach der Ernte getrunken werden. Die besten Provenienzen haben ein erstaunliches Reifepotenzial. Das zeigte die Verkostung von vorwiegend Oeil-de-Perdrix der Jahrgänge 2017 bis 2008. Eingeladen wurden Weinliebhaberinnen und Weinliebhaber aus dem Umfeld des Autors. Angemeldet hatten sich nur Männer.

«Die Schweizer Rosé
mit ein paar Jährchen
auf dem Buckel, haben
sehr viel Spass gemacht.»

Manuel Pfund, Inhaber der Weinhandlung
Aromi Terziari in Bern und Mitverkoster

Neben dem «Perdrix blanche» 2011, gab es «Oeil» der Jarhgänge 2014 und 2012 von Benoît de Montmollin aus Auvernier/NE zu verkosten. Die drei Weine haben eine enorme Aromendichte und Komplexität entwickelt. Allesamt sind sie hervorragende Begleiter einer raffinierten Küche – und das nicht nur gut gekühlt im Sommer.

Die hier vorgestellten Weine wurden mit Bedacht aus einer unendlichen Vielzahl an Rosé herausgepickt. Die Schweizer Vertikale stammte aus dem Keller von weinlandschweiz.ch. Verkostet wurden die Weine am 26. Februar 2019. Neben dem Autor war auch der Weinhändler Manuel Pfund als Verkoster in der Männerrunde mit dabei.

Gabriel Tinguely


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Kommentar

Moderne Rosé-Weine werden heute reduktiv, unter Ausschluss von Sauerstoff, vinifiziert. Frisch geöffnet, präsentierte sich das Bouquet demzufolge extrem verschlossen. Einige Rosé rochen nach nasser Wolle, Alkohol und feuchten Steinen. Erst nach einigem Schwenken im Glas und steigender Temperatur gaben sie ihre Reize preis. So auch der am 26. Februar 2019 geöffnete Rosé de Gamaret Trésor von der Cave de Genève. Wirklich gefallen hat der Wein erst eine halbe Woche später bei der Nachverkostung. Nur mit dem Korken verschlossen hat er sich bis zum 6. April 2019 positiv entwickelt.

Und der Wein hat noch Potenzial. Zwei bis drei oder gar zehn Jahre im Keller bringen grossartige Aromen zum Vorschein. Das hat der Sortilège Rosé 2008 bewiesen. Auch dieser 10-jährige Wein hat nur mit dem Korken verschlossen drei Wochen gehalten.

Ein bis zwei Stunden vor dem Geniessen dekantieren, tut jedem Rosé gut. Nicht zu bauchige Karaffen passen problemlos in den Kühlschrank. Und noch etwas zur Trinktemperatur. Rosé muss nicht eisgekühlt serviert werden. Bei 30 Grad im Schatten wirkt ein 15 Grad «warmer» Rosé sehr erfrischend.

Gabriel Tinguely