2019-08-17

Luzerner Weine boomen

In rund einem Monat beginnt im Kanton Luzern die Lese. Die Rebbaufläche wächst rasant – auch dank jungen Winzern.

Schenken wir zu Beginn reinen Wein ein: Mit den grossen Weinbauregionen kann der Kanton Luzern nicht verglichen werden. Allein rund um Bordeaux gedeihen Reben auf einer Fläche, die fast dem ganzen Kanton Luzern entspricht. Doch in den vier Luzerner Hauptanbaugebieten Seetal, Vierwaldstättersee, Sempachersee und Wiggertal ist in den letzten Jahren viel passiert. Die Anbaufläche ist von praktisch null im Jahr 1950 auf nun über 60 Hektaren gewachsen:

Auch die Sortenvielfalt ist beträchtlich: Von B wie Blauburgunder über M wie Malbec bis Z wie Zweigelt bauen die Luzerner Winzer rund 50 Sorten an. In wenigen Wochen beginnt die Lese.

Bemerkenswert ist der sehr hohe Anteil an pilzresistenten Rebsorten: Gegen 30 Prozent machen die sogenannten Piwi-Sorten mittlerweile aus. «Das dürfte weltweit einzigartig sein», sagt Beat Felder, Rebbaukommissär der Kantone Luzern, Nid- und Obwalden, Uri sowie Zug. Schweizweit beträgt die Quote nur etwa 1,5 Prozent. Er führt die Beliebtheit dieser Sorten mit Namen wie Solaris oder Cabernet Jura auf zwei Gründe zurück: Einerseits gab es schon in der Vergangenheit im Kanton Luzern viel Regen, was den Pilzbefall an den Rebstöcken begünstigte – und damit das Bedürfnis nach robusten Sorten. Andererseits setzen nun vor allem viele jüngere Winzer auf unkomplizierte Pflanzen, die sich für einen Bio-Betrieb eignen.

Früherer Reussgletscher sorgt für gute Böden
Auch den generellen Weinbau-Boom im Kanton Luzern begründet Felder unter anderem mit jungen Winzern. «Aber auch der Klimawandel begünstigt den Weinbau. Zudem gibt es dank des früheren Reussgletschers vielerorts ein hervorragendes Terroir mit mineralischem Gestein. Und es gibt im Sommer genügend Regen und im Herbst kühle Nächte. Darum beneiden uns manche ausländische Weingebiete.» Der Rebbau-Experte schätzt, dass im Kanton Luzern dereinst Trauben auf einer Fläche von rund 100 Hektaren gedeihen. «Das kommt natürlich auf die weitere Entwicklung des Klimas und auf das Interesse der Produzenten an», sagt Felder, um anzufügen:

«Niemals hätte ich vor 30 Jahren gedacht, dass der Weinbau heute so boomen wird.»

Einer der von Felder genannten jungen Winzer ist Marius Tschuor. Der 32-Jährige pachtet seit Anfang Jahr den Landhof Muracher in Vitznau. Dort hat er 0,5 Hektaren Rebfläche übernommen und auf 2 Hektaren erweitert, nächstes Jahr werden es deren 3 sein. «Ich habe mich schon früh für Wein interessiert», sagt Tschuor. Sein Weg führte den gebürtigen Ilanzer zuerst in die Schweizerische Hotelfachschule nach Luzern. Nach Praktika in Nürnberg, London, im Tessin und in New Orleans schloss er die Ausbildung ab. «Als ich danach in St. Moritz in der Hotellerie gearbeitet habe, wurde ich immer unglücklicher und mir fehlte ein Ziel.» Die Lebenspartnerin erinnerte ihn an seine Leidenschaft für Weine. Darum machte er in Zürich und Neuenburg eine Winzerlehre.

Land in Vitznau ist «Himmel auf Erden»
Dem Winzer fehlte nun noch ein Weingut. Doch die Suche – unter anderem in Kroatien, Italien und in der Wachau – gestaltete sich als schwierig. Also wandte sich Tschuor an die Stiftung für den Erhalt bäuerlicher Betriebe, die ihm jenes Stück Land in Vitznau vorstellte, das er als «Himmel auf Erden» bezeichnet. Tschuors Plan: Auf dem Landhof nicht nur Weinbau betreiben, sondern auch Übernachtungen und Anlässe anbieten. «Ein solcher Platz eignet sich hervorragend für Hochzeiten und andere Feste.»

Beim Wein drückt Tschuors Herkunft durch: Er setzt unter anderem auf Pinot Noir, die Sorte der Bündner Herrschaft.

«Ich will meine Heimat durchaus konkurrenzieren.»

Je drei Rot- und drei Weissweine will Marius Tschuor dereinst anbieten. 60 Prozent davon sind Piwi-Sorten. «Ich schäme mich oft, die Rebstöcke zu spritzen, selbst mit Wirkstoffen, die dem Bio-Anbau entsprechen. Denn Wanderer sehen ja nicht, was drin ist.» Die Piwi-Sorten seien darum ideal. Im Herbst 2021 sollen die ersten Weine des Bio-Betriebs gekeltert werden, im Frühling 2022 sollen die ersten Weissweine in den Verkauf kommen. Das Ziel ist es, mindestens 25’000 Flaschen zu produzieren.

Jungwinzer Marius Tschuor (32) ist Pächter eines Rebberges in Vitznau. (Bild Dominik Wunderli)

Marius Tschuor hat sich in Vitznau verliebt.
Die Pacht, die Rebstöcke, die Bauten und Produktionsmittel sind nicht gratis. Doch Tschuor ist vorbereitet und optimistisch. Ein Erbvorbezug, Erspartes, Beiträge des Kantons und von Gönnern sollen den Betrieb aufrechterhalten, bis er rentabel läuft. «Für die harte Arbeit kann ich ausserdem auf die Unterstützung meiner Lebenspartnerin, Familie und guter Freunde zählen.»

Mehrheit wird Kunden direkt verkauft
Den Optimismus teilt Beat Felder, schliesslich steige die Nachfrage nach Weinen aus der Region stetig an. Rund 60 bis 70 Prozent der Luzerner Weine werden direkt an Kunden verkauft, 20 bis 30 Prozent an die Gastronomie und nur ein kleiner Teil geht in den Handel. «Damit bleibt der grösste Teil der Wertschöpfung bei den Produzenten. Zumal die Nachfrage aus der Gastronomie stark zunimmt.»
Der Zentralschweizer Weinbauverein half den Produzenten mit einer Kampagne, ihre Weine bekannter zu machen. Seither finden sich laut Felder Gastronomen und Weinproduzenten in der Regel selbst – über Vorstellungen im Restaurant oder Degustationen am Rebberg. «Hier profitieren die Weinproduzenten vom Trend regionaler Produkte», so Felder.

Mehr Rebbaufläche und mehr Wein bedeutet zwar nicht automatisch bessere Qualität. Doch auch diese steigt stetig. Erst kürzlich haben vier Luzerner Weine bei der nationalen Prämierung «Grand Prix du Vin Suisse» die Goldmedaille erhalten: Weinbau Mariazell aus Sursee von Beat Felder holte mit einer Cuvéee Blanc und einen trockenen Muscat gleich zwei Goldmedaillen und eine Nomination, die Brunner Weinmanufaktur aus Hitzkirch punktete mit einem Sauvignon Pinot, und Weinbau Ottiger aus Kastanienbaum traf den Geschmack der Juroren mit einem Süsswein.

Und wie wird der Jahrgang 2019? «Für eine definitive Aussage ist es noch zu früh», sagt Beat Felder. Bis jetzt seien die Bedingungen nach einem feuchten Frühling und einem warmen Sommer aber gut.

(Quelle: Luzerner Zeitung, Alexander von Däniken)


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