2015-06-29

Pinot Noir – keine Liebe auf den ersten Schluck

Die Rebsorte Pinot Noir – Blauburgunder oder Clevner, wie sie auch genannt wird, sowie der in Morges angebaute Pinot-Klon Servagnin – sind die wichtigsten Rebsorten der Schweiz. Auf total 42’606’652 Millionen Quadratmetern angebaut, werden sie von beinahe allen Schweizer Winzern gekeltert (Statistik 2014). Was daraus entsteht ist im besten Fall grandios. Wie die Erfahrungen der vergangenen Wochen zeigen, sind sogenannte «beste Fälle» jedoch äusserst selten. Und das wirft Fragen auf.

 


26. Juni 2015
1. Verkostung – Grand Prix du Vin Suisse

Eine elfer Serie Pinot Noir des Jahrgangs 2013. Das war alles, was das fünfköpfige Degustationsteam wusste. Ab 85 von 100 Punkten gibt es eine Silbermedaille (In der Regel liegt der Schnitt jedoch zwischen 86 und 87 Punkten, denn maximal 30 Prozent der Weine werden mit einer Medaille ausgezeichniet.). 89 und mehr Punkte ergeben eine Goldmedaille. In der Spalte «Note» ist meine Bewertung. Dahinter steht die durchschnittliche Bewertung des Teams. Die Weine wurde blind verkostet, Namen wurden keine bekannt gegeben.

Jahrgang Beschrieb Note Durchschnitt
2013 Cassisbeeren in der Nase, viel Holz, grüne Noten, Säure und Gerbstoffe im oberen Bereich, mittlere Intensität, magerer Körper, geholzt und bitter im Abgang 73 83.4
2013 violette Farbe, Schwefel, reduktiv, Leder, Brett, Säure, Veilchen und Frucht sind gut versteckt, strukturiert, trocknend und bitter im Abgang 80 81.8
2013 1. Flasche: Kork, 2. Flasche: sauber, verhalten, warm, reife Frucht, Alkohol, trocken mit viel Fruchtsüsse, Waldbeeren werden von Leder verdrängt, trocknend im Abgang 81 85.2
2013 leuchtend Rubin, rotbeerig, sauber, Kräuternote, Gummi, saftiger Antrunk, Säure, ausgewogen, Frucht, Körper, harmonisch, lang 89 89.8
2013 Rüeblisaft, oxidiert, viel Holz, Minze, Eukalyptus, saftiger Antrunk, viel adstringierendes Tannin, schlanker Körper, dieser kann dem Antrunk nicht die Stange halten, bittere Noten im Abgang, trocknend 79 83.6
2013 Rubin, klar, sauber, Brombeere, Heidelbeeren, Holz gut eingebunden, saftig, weiniger Antrunk, fülliger Körper, Struktur, Finesse und Länge, gossartig 94 88
2013 blasses Rubin, Cassis, saurer, dünner Most, bitter 77 83
2013 blasses Rubin mit ziegelroten Reflexen, schweflige Nase, rote beeren hinter einem Vorhang, saftig weiniger Antrunk mit viel Fruchtsüsse, Holz dominiert, balanciert in Körper, Intensität und Alkohol 84 84.8
2013 1. Flasche: muffig 2. Flasche: sauber, intensive Frucht, Brombeeren, Heidelbeere, Himbeere, etwas Waldboden, frisch, komplex, saftig, weinig, balanciert, Frucht im Gaumen, grossartig 95 86
2013 tintenfarben, extrem violett, schwarze Kirschen, Marzipan, Pfeffer (Syrah), expressiv im Gaumen, Säure, Tannine, Intensität und Körper im oberen mittleren Bereich, bitter und trocknend, wenig Sortentypizität 78 82.2
2013 gekocht, Karamell in der Nase, mächtig, Fruchtsüss, gehaltvoller Körper, (zu)viel Holz, bitter, Leder, wärmende Alkoholnote im Abgang
80 83.2

Fazit: Ein Wein mit Goldmedaille entspricht dem Durchschnitt von 10 Prozent. Eine Silbermedeaille mag für diese Runde ok sein. Fragen werfen jedoch die vielen grünen, bitteren und gekocht fruchtsüssen Noten auf.

 


29. Juni 2015
2. Verkostung – Schaffhauser Pinot Noir
Laurent Probst von Les Vins Confédérées hat in Zusammenarbeit mit Peter Rahm, Weinkellerei Rahm Hallau, und Ulrich Schweizer, Redaktor bei den Schaffhauser Nachrichten, einer kleinen Gruppe von Gastronomen, Journalisten und Weininteressierten 18 Crus aus dem Schaffhauser Blauburgunderland und ein «Pirat» aus Neuenburg präsentiert. Die Weine wurde blind verkostet und ohne zu bewerten beschrieben. Auf meiner Skala von 1 bis 5 Sternen – die eigentlich Herzen sein sollten und die Emotionen ausdrücken, die der entsprechende Weine auslöst – hat kein Wein das Maximum erreicht, dafür sind einige leer ausgegangen.

Jahrgang Wein Alkohol Beschrieb Bewertung
2013 Granat Pyrop, Pinot Noir Spätlese, Trotte Löhningen, Löhningen, CHF 17.50
13.5 mittleres Rubin, rote Beeren hinter einem schwefligen Vorhang, saftiger Antrunk, trocknend und bitter, etwas ausgezehrt im Abgang
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2013 Réserve deu Patron, Pinot Noir Spätlese, Weinkellerei Rahm, Hallau, CHF 16.25
13 mittleres Rubin, Kohlensäure, reife Waldbeeren, Kohlensäure im Antrunk, knackige Säure, Hibeeren und Sauerkirsche, herbe Noten im Abgang
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2013 Aagne, Blauburgunder Spätlese, Familie Gysel, CHF 18.00
13 mittleres Rubin mit violetten Reflexen, etwas staubig in der ersten Nase, dann intensiv rote Beeren, Fruchtsüsse im Antrunk, 4-Frucht-Konfi, langer frischer Abgang, bittere Noten im Nachhall
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2013 «Terra Florales» Pinot Noir Hallau, Hans Schlatter, CHF 19.40
13.5 Rubin mit bernsteinfarbenen Reflexen, Rauch, reife Beeren, Pflaume, Zimt, Karamell, malzig, Fruchtsüsse, wenig Tannin, mittlerer, abflachender Körper, langer Abgang
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2013 Dichterwii, Blauburgunder Spätleses, Rötiberg Kellerei, CHF 17.50
13.5 Rubin mit violetten Reflexen, laktisch, wie Brombeerjoghurt, gaumenfüllende Fruchtsüsse geht über in bittere Noten, trocknend, sehr parfümierter rotbeereiger Abgang mit bitterm Nachhall
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2013 Hedinger Blauburgunder Tradition, Hedinger Sunneberg Kellerei, Wilchingen, CHF 22.00
13 mittleres Rubin, wenig Frucht, Pflaumen, Harz, Pfeffer, Champignons, reif, Gummi, Röstnote (Grosses Fass), Fruchtsüsse im Antrunk, samtene Textur, trocknend, Leder im Abgang
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2013 Osterfinger «Spendsgut» Alte Reben, Richli, Hirschen Kellerei Osterfingen, CHF 15.00
13.3 Rubin mit bernsteinfarbenen Reflexen, verhalten, öffnet sich nach kurzer Zeit im Glas, Veilchen, Rosen, frisch, rote Beeren, sauber, trocken, Säure spannt Bogen, minerale Noten im Abgang
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2013 7 Cépages, Blauburgnder, Weingut Lindenhof Osterfingen, CHF 21.00
13.7 tiefes, homogenes Rubin, Cassis und Zwetschgenmus in der Nase, sauber und frisch, knackig im Antrunk, füllig im Gaumen, Tannine bilden Korsett, das den Körper stützt, Frucht bis weit in den Abgang
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2012 Schaffhuuser ART, 1895 Pinot Noir, Weinkellerei Rahm Hallau, CHF 15.60
13.4 mittleres Rubin mit bernsteinfarbenen Reflexen, Kohlensäurestern im Glas, etwas verahlten, Hefenote, Rose, Vanille Kirsche, trocken, Fruchtsüss, cremige Textur, wenig Tannin, Schmelz, Fülle, Pfeffer im Abgang
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2012 Eisenhalder Alte Reben, Pinot Noir, GVS Weinkellerei, Schaffhausen, CHF 19.80
13.5 mittleres Rubin mit feinem Blauanteil, Rose, Pflaumen, würzig, fleischige Noten, Liebstöckel, Leder, gaumenfüllende Süsse, herbe Noten im Abgang, metallischer Nachhall
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2012 Rot 4, Blauburgunder Sélection, WeinStamm, Tayngen CHF 21.00
13 mittleres Rubin mit bernsteinfarbenen Reflexen, konzentriert rote Beeren, Zwetschge, Trockenfleisch, saftiger Angrunk, viel Fruchtsüsse bis weit in den Abgang
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2011 Florin, Pinot Noir Auslese, Weingut Florin, Stein am Rhein, CHF 21.00
13.5 mittleres Rubin mit bernsteinfarbenen Reflexen und Blautönen ergibt einen speziellen Farbton, Heu, Blätter, welke Rose, Champignons, bitter, trocknend, ausgezehrt

2013 Sélection Pierre, Pinot Noir Barrique, Weinkellerei Rahm, Hallau, CHF 23.90
13.6 mittleres, homogenes Rubin, rote Beeren und Zwetsche kämpfen sich durch Harz und Holz, Gewürze, Schokolade und Teer, etwas flüchtige Säure macht den Wein sexy, saftig weiniger Antrunk, Körper, Fülle, Schmelz, Kraft und Länge
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2012 ALBI Pinot Noir Barrique, Strasser Besson Uhwiesen, CHF 25.00
14 mittleres Rubin mit violetten Reflexen, Röstnote, Holz, Gewürze: Nelke, Pfeffer und Kaffee, dann Kirsche und Dörrpflaume, Säure und Bitternoten im Gaumen, extrahiert, Gerbstoffe ohne Ende, mächtig, unverständlich

2012 ZWAA, Blauburgunder Barrique, Meyer Osterfingen, Baumann Oberhallau, CHF 36.00
13.5 mittleres Rubin mit bernsteinfarbenen Reflexen, konzentrierte Frucht, Tabak, Bourbon-Noten, Jod, Whisky, Schmelz, Finesse, Tertiäraromen wie getrockente Feige
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2010 Blauburgunder Barrique, VOLG Weinkellerei, Hallau, CHF 22.50
13 1. Flasche: oxidiert, 2. Flasche: mittleres Rubin mit braunen Reflexen, Waldboden, Wachs, Trockenfrüchte, Leder, bitter, ausgezehrt, Champignons, Säure und Gerbstoffe

2010 Element 5 Blauburgunder, Aagne, Rötiberg, Lindenhof, Weinstamm CHF 47.00
13.5 mittleres Rubin mit braunen Reflexen, wild und animalisch, Maggikraut, Fleisch, Leder, Alkohol, Pfeffer, Ester, Säure und Schärfe im Antrunk, flach, schlanker Körper, wenig Frucht, bitter im Abgang

2013 Magistral Pinot Noir, Weinkellerei Rahm, Hallau, CHF 29.00
13 mittleres Rubin, sauber, intensiv Himbeere, Trockenfrüchte, feine Holznote mit Tendenz zu Bourbon, süss vom Antrunk bis zum Finale, wenig Säure und die geringe Menge Tannin können dem nichts entgegen halten

2010 Ein Pirat zum Schluss:
Cortaillod, A. Porret, Colombier
13 mittleres Rubin, reife Himbeeren, Cassis, Johannisbeergelee, Dörrpflaume, Tabk, Pfeffer, Petrol, sauber, saftig und fruchtig im Antrunk, Säure, kräftiger Körper, Komplexität, lang anhaltende Frucht
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Fazit: Es erstaunt wie rasch die Weine ihr frische Farbe einbüssen. Zudem scheinen Süsse und Fruchtsüsse den Geschmack der Zeit zu treffen.


Indietro

Pinot Noir ist eine Diva. Das bestätigen alle Rebbauern, Winzer und Önologen, die mit dieser kapriziösen Sorte zu tun haben. Am liebsten mag sie kühle Regionen und fühlt sich dort am wohlsten, wo Rebbau gerade noch möglich ist. Dann aber verlangt Pinot Noir nach besten Lagen und Ausrichtungen.

Eine weitere Eigenschaft der Sorte ist, dass optimal reife Beeren sehr dünnhäutig sind. Das wiederum hat zur Folge, dass Pinot-Beeren eher blasse, rubinfarben leuchtende Moste ergeben. Wenig Haut im Verhältnis zu viel Saft ergibt auch eine geringe Ausbeute an Gerbstoffen. Aus Pinot-Trauben kann nie und nimmer ein Wein im Cabernet-Stil gekeltert werden. Es sei denn, der Kellermeister hilft mit Färbertrauben – die viel Farbe in der Haut und auch im Fruchtlfeisch haben – nach. Bei den Gerbstoffen kann mit ganzen Trauben (Beeren und Stiele) in der Maische nachgeholfen werden. Oder mit dem Ausbau in neuen Holzfässchen (Barriques). Diese geben dem Wein Aromen ab und das in machen Fällen nicht zu knapp.

Als grosses Vorbild gilt das Burgund, die Heimat der Rebsorte Pinot Noir. «In Burgundy, Pinot Noir’s abilitiy to express minutes differentes in Terroir ist most brillantly», schreibt Jancis Robisnon im Standardwerk «Wine Grapes», das sie zusammen mit Julia Harding und José Vouillamoz herausgegeben hat (2014). Darum beneiden Weinmacher rund um den Globus die Winzer aus dem Burgund. Doch es gibt auch andere Weinbauregionen, in denen feine Pinto-Weine gekeltert werden können.

Durch die frühe Reife der Sorte, weisen nur kühlere Gebiete eine genug lange Vegetationsperiode auf, dass aus Pinot Noir interessante Weine gekeltert werden können, schreibt Jancis Robinson weiter. Dazu zählt sie, abgesehen vom Burgund, den Jura (Schweiz und Frankreich), Teile von Deutschland, die Schweiz, dem Südtirol und Kanada. Aber auch Neuseeland, Tasmanien, Patagonien und Bio Bio in Chile sowie Oregon, Sonoma, Carneros, Monterey und einige mehr.

>>>   «Great grand cru red burgundy can be tough in its youth and need a decade or two for its ineffable complexities to unfurl but, in general, Charm is one of Pinot Noir’s great assets. This can translate into a cheap commercial example that its simply sweet.» (Zitat aus: The Grapes, Pinot Noir, Seite 811) Die Übersetzung davon liefert Jancis Robinson im Oxford Weinlexikon auf Seite 546: «Die Rotweine Burgunds reichen von tiefdunklen, tanninherben, im Eichenfass gereiften Vollmundigkeiten, die lange Flaschenreife erfordern, bis zu säuerlichen dunklen Rosés, die möglichst jung getrunken werden sollten. Die besten Grands Crus sind intensive, fleischige, lebensvolle, fruchtige Weine mit fester Struktur und niemals aufdringlichem Eichenholzeinfluss.» Jancis Robinson schreibt weiter, dass viele Pinot Noirs mehr Süsse haben als ihnen zustehen würden. Und sie fragt sich ob mit Mostanreicherung eine gewisse Unreife kaschiert würde.

>>>   Pinot Noir gehört zum alten Adel der Rebsorten. Nur in relativ kühlen Gegenden entfaltet sie ihre vollen Talente. Sobald es ihr zu warm wird, verlieren aus Pinot Noir gekelterte Weine ihre Eleganz. Sie werden dick, plump und marmeladig. Die Farbe des Pinot Noirs ist helles Rubin, sein Bouquett hat eine betörende Intensität. In der Jugend duftet er nach Himbeeren, Kirschen und Erdbeeren, mit der Reife kommen herbstliche Noten von Unterholz, Pilzen und Wild dazu. (Beat Kölliker, die neue Hallwag Weinschule, Pinot Noir, Seite 126)

>>> Junger Pinot Noir offenbart typischerweise fruchtige Aromen von Himbeeren, Erdbeeren oder roten Kirschen, und da die beeren sehr dünnschalig sind, weisen die Weine gewöhnlich weiche, leichte Tannine und kaum je eine dunkle Färbung auf. (WSET, Weine und Spirituosen, Level 3, Seite 8)

Zitate über Farbe, Frucht und Gerbstoffe liessen sich beliebig weiterführen. Und die Suche nach bestem Pinot Noir geht weiter...