2014-05-08

«Coole Rote für den Sommer»

Gastronomen, die als «Sommerwein» erfrischende Weissweine oder fruchtige Rosé ausschenken, servieren
genau das Richtige. Wer zudem spezielle Rotweine anbietet liegt im Trend und beweist mit optimalen 
Trinktemperaturen seine Weinkompetenz.

Perlender Lambrusco secco zu Prosciutto crudo, Oliven und Parmigiano ist ein Gedicht. Mit einem Vernatsch vom Kalterersee aus dem Südtirol zu gefüllten Teigwaren oder Pasta al sugo, sind Ferien zum greifen nah. Und die herbe Kraft eines Maratheftiko aus Zypern ergänzt sich mit dem rauchig würzigen Geschmack von Grilladen.

Das sind nur drei Beispiele. Zahlreiche fröhliche und fruchtig süffige Weine, die früher literweise ausgeschenkt wurden, sind in Vergessenheit geraten. Höchste Zeit also, diese aus der Mottenkiste der Vergangenheit zu kramen. Denn die Bestrebungen der Qualitätsverbesserung sind auch bei solchen, sogenannten «einfachen» Gewächsen nicht spurlos vorbei gegangen.

Was für den Lambrusco aus der Emilia Romagna (I), den Dolcetto aus dem Piemont (I) oder den Gamay aus dem Beaujolais (F) gilt, das bewahrheitet sich auch für die Blauburgunder, Pinot Noir und Spätburgunder aus der Deutschschweiz, dem Markgräflerland oder aus dem Badischen. Klassisch ausgebaut – also ohne lange Extraktion, Maischenstandzeit und ohne Reifung im Holz – passen sie zu fast allen Speisen. Die trockenen Vertreter harmonieren mit feinen Vorspeisen, Pilzgerichten oder Fleisch vom Grill. Blauburgunder mit wenigen Gramm Restzucker ergänzen sich optimal mit würzigen Speisen aus der asiatischen Küche.

Regionale Besonderheiten
rfreuen sich grosser Nachfrage
In die Kategorie der feinen, fruchtigen Sommerweine gehören nebst dem Blauburgunder die Pinot-Gamay-Assemblagen Salvagnin (VD) und Dôle (VS). Dazu kommen Spezialitäten wie der Eyholzer Rote – eine autochthone Walliser Sorte, die nur noch von einem Winzer angebaut wird – sowie die Weine aus dem Beaujolais. Dort, auf den Granitböden des südlichen Burgunds, ergibt die Rebsorte Gamay (entstanden aus einer spontanen Kreuzung, hat Gamay die gleichen Eltern wie Chardonnay) intensive, tiefgründige Charakterweine. «Beaujolais von selbstkelternden Winzern sind sehr bekömmliche Weine mit viel Charakter», sagt Severin Aegerter, Inhaber der Berner Weinhandlung Cultivino. «Von denen trinkt man gerne ein zweites Glas. Und unbewusst kommt man immer wieder auf diese zurück.»

Spannend ist die Tatsache, dass im heissen Süden nicht nur alkoholstarke, konzentrierte und fruchtig süsse Weine produziert werden können. «Als Gegengewicht zu vielem Banalen, das heute hoch im Kurs ist, keltern Individualisten zwar kräftige aber dennoch filigrane und frische Weine», sagt Severin Aegerter. Ein gutes Beispiel dafür sind die beiden Architekten Gianbattista Cilia und Giusto Occhipinti aus der Region Vittoria auf Sizilien. Als sie Anfang der 1980er-Jahre Rebberge kauften, offerierte die EU Rodungsprämien. Ein Winzer nach dem anderen gab seine Reben auf und stellte auf Tomaten um. Als die beiden Quereinsteiger in den Rebbergen dann noch auf Chemikalien verzichteten und die meisten ihrer Weine in Tonamphoren vinifizierten, wurden sie von den Ortsansässigen belächelt. Aber nur bis ihre ersten Weine auf den Markt kamen. Mit denen machten ihnen Gianbattista Cilia und Giusto Occhipinti nämlich klar, was im autochthonen Traubengut und im Terroir Siziliens steckt. Mittlerweile ist die Region Vittoria wie ein Phönix aus der Asche entstiegen. Die Rotweine aus Cerasuolo Vittoria tragen als erste und einzige Gewächse Siziliens das Gütesiegel DOCG. Und neben Nero d’Avola sorgt eine zweite, fast vergessene, lokaltypische Sorte für Furore. Arianna Occhipinti, Giustos Nichte, war die erste, welche die Sorte Frappato wieder sortenrein ausbaute. Überschwenglich blumig, fruchtig und mit kaum zähmbaren Tanninen ausgestattet, ist ihr «Il Frappato» ein Wein für offene Geister, die Ausdruck und Charakter mehr Gewichten als Perfektion. Trotzdem, oder gerade deshalb, sind Arianna Occhipintis Weine immer rasch ausverkauft.

Einfacher zu verstehen und nur selten kontingentiert, sind die zahlreichen Charakterweine aus Portugal. Auch sie werden vornehmlich aus alten einheimischen Sorten gekeltert. Die bekanntesten blauen Trauben sind Touriga Nacional und Touriga Franca, Trincadeira oder Aragonez. Oft als Assemblage abgefüllt, sind die Weine dunkel, dicht und von kräftiger Struktur. Die meisten haben viel Frische. Diese zeigt sich in Form von Säure oder Tanninen, die ja auch als Gerbsäure bezeichnet werden. Lebendige Sommerweine findet man in allen Anbaugebieten.

Frucht und Frische rücken
n den Vordergrund
Die Frage «Welchen Wein trinkt man im Sommer?», beantworten die meisten Importeure von Wein aus Süditalien, Spanien oder Zypern mit «Weisswein oder Rosé». Für einmal war dies die falsche Antwort. Denn wir suchten nach Rotweinen, die kühl getrunken viel Genuss bereiten. Die Kriterien lauteten: Frucht, Lebendigkeit, kein oder nur wenig Holz und nicht zuviel Alkohol. Der letztere steigt bei warmen Temperaturen nämlich als erster in die Nase. Nicht Weinhändler konnten sich mit diesen Vorgaben anfreunden. Schliesslich würden dort wo kräftige Weine produziert werden auch solche getrunken. Was dann aber präsentiert wurde, ist von allererster Güte.

Wir haben die auf der rechten Seite vorgestellten Weine zweimal verkostet. Einmal aus dem Kühlschrank und einen Tag später mit 22 Grad Celsius. Den «Kältetest» haben alle mit Bravour bestanden. Bei Temperaturen unter zehn Grad schmeckten der Eyholzer Rote, der Gamay von Les Perrières und der Lambrusco am besten von allen. Auch der hohen Temperatur vermochten die meisten Weine mit ihrer Frische entgegen zu halten. Klare Favoriten waren der Brouilly, der der Condado das Vinhas aus Portugal, der zypriotishe Maratheftiko und der Frappato aus Sizilien.

Vorsicht sei jedoch geboten: kühl bedeutet nicht in allen Fällen kalt. «Bei Raumtemperaturen um 25 Grad Celsius, wird ein mit 20 Grad servierter Wein als zu warm empfunden», sagt Thomas Fischer von Fischer Weine in Sursee. «An einem heissen Sommertag mit Temperaturen über 30 Grad, empfindet man denselben Wein als angenehm kühl.» Wird Wein zu kalt serviert, dominieren Säure und Gerbstoffe. Bruno-Thomas Eltschinger, Präsident des Sommelier Verband der Deutschschweiz, unterscheidet zwischen Servier- und Genusstemperatur. «Auf dem Weg vom Keller oder Klimaschrank an den Tisch und bis der Gast den ersten Schluck trinkt, erwärmt sich der Wein um drei bis fünf Grad.» Perfekt ist, wenn der coole Rote im Sommer mit 13 bis 14 Grad auf die Zunge fliesst.   

Gabriel Tinguely für die Hotellerie et Gastronomie Zeitung, Ausgabe 14/14 vom 8. Mai 2014.

Hier können Sie den ganzen Artikel inlkusive Degustationsnotitzen als pdf herunterladen. Alle Preisangaben sind ohne Gewähr. Gastronomen profitieren von 10 bis 20 Prozent Rabatt auf die angegebenen Preise für Privatkunden.


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