2016-09-21

Die 5. Weinschweiz – Heumann Weine, Ungarn

Die Weinbauregion Villány-Siklós gilt als das Rotweinanbaugebiet Ungarns. Häufig wird es als Bordeaux des Ostens bezeichnet. Das ist gar nicht abwegig. Denn die Rebsorte Cabernet Franc spielt hier eine Hauptrolle. Einige der besten Lagen sind Teil der sieben Hektar Weingärten von Evelyne und Erhard Heumann.

Interview mit Erhard Heumann

(Gabriel Tinguely, September 22916)

Was hat Sie bewogen auszuwandern?
Zuerst die Rebberge, dann der Wunsch, einen eigenen Wein zu machen. Aber alles der Reihe nach. Vor gut 25 Jahren ist mein Schwiegervater nach Ungarn gefahren. Er baute Cheminées und jemand hatte ihm erzählt, dass er dort relativ günstig Metall-Einsätze herstellen lassen könne. Das hat dann zwar nicht funktioniert, aber der ungarische Vorarbeiter hat ihm einen kleinen Rebberg schmackhaft gemacht, den er auch kaufte. Das war damals für Ausländer noch möglich. Er fuhr dann immer wieder zu seinen Reben und errichtete sich später ein kleines Häuschen. Meine Frau und ich sind dann ebenfalls dorthin gefahren. Zuerst hat es uns nicht gefallen, aber mit der Zeit haben wir uns in die Gegend um Villány verliebt. Da ich ein begeisterter Weinliebhaber bin, haben wir 1996 einen zusätzlichen kleinen Rebberg mit 40-jährigen Portugieser Reben gepachtet. Kaufen war zu dieser Zeit nicht mehr möglich. Den ersten Wein haben wir von einem Winzer machen lassen. Hobbymässig haben wir dann bis und mit dem Jahrgang 2002 so weitergemacht – mit allen Höhen und Tiefen. Wir haben uns aber gesagt, dass wir nur qualitativ hochstehende Weine machen können, wenn wir das professionell angehen.
 
Wie kamen Sie zu Ihrem heutigen Weingut?
Das hat dann dazu geführt, dass wir ab 2003 sukzessive einen Weinkeller gebaut haben – auf Industriegelände, da wir ja kein Agrarland kaufen durften. Einen Weinkeller auf gepachtetem Land, das war uns zu riskant. Darum haben wir heute eine «garage winery». Wir stellten eine Oenologin ein, und später den Kellermeister, welcher heute noch als Betriebsleiter für den Keller und die Rebberge verantwortlich zeichnet. Seit zehn Jahren lebt meine Frau vor Ort, zuerst zeitweise und später ganz. Sie ist ausgewandert. Der Grund dafür war, dass man erst Agrarland kaufen kann, wenn man sieben Jahre in Ungarn lebt und zudem einen Status als sogenannter «Kleinbauer» bekommt. Sie hat in diesem Sinn meinen Traum verwirklicht. Ich selbst habe noch bis vor fünf Jahren bei einer Schweizer Bank gearbeitet. Seit meiner vorzeitigen Pensionierung verbringe ich die Hälfte der Zeit in Ungarn oder an internationalen Ausstellungen und die andere Hälfte in der Schweiz, von wo aus ich den Vertrieb und die Werbung organisiere. In Ungarn bin ich der Ansprechpartner für meinen Betriebsleiter/Weinmacher. Wir legen gemeinsam fest, wie die Rebberge bewirtschaftet werden und wie wir die Weine ausbauen. Zudem bin ich derjenige, welcher die einzelnen Fässer verkostet und die Mischung festlegt. Meine Frau führt das Weingut in administrativer und finanzieller Sicht.
 
Gab es Anfangsschwierigkeiten?
Ja, die gab es. Vor allem, weil es für die Männerwelt der Villányer Winzer nicht so einfach war, eine Frau zu akzeptieren. Zudem hatten wir eigene Ideen, welche teilweise nicht kompatibel mit den lokalen Ideen waren. Wir waren 2003 an einem Meliorations-Projekt in Villány beteilgt, aus dem wir dann wieder ausgestiegen sind. Heute befinden sich unsere Rebberge in der Region Siklós, wo sich auch unser Weingut befindet und weiter westlich in Diósviszló. Meine Frau ist heute voll akzeptiert. Sie ist das Gesicht des Weingutes, vor allem hier in Ungarn.
 
Was machten Sie anders als ortsansässige Winzer/Weinmacher?
Ich glaube, mein grösster Vorteil ist, dass ich völlig frei entscheiden kann, wie mein Wein zu schmecken hat. Klar, als Basis habe auch ich das Terroir, aber ich bin nicht durch historische Rahmenbedingungen eingeengt. Meine Ideen, wie ein Wein schmecken soll, kommt vor allem von den Weinen, welche ich Zeit meines Lebens getrunken habe. Da ist relativ viel im Kopf gespeichert und bildet die Grundlage für meine Weine.
 
Welches ist aktuell ihre grösste Herausforderung?
Es gibt jedes Jahr neue Herausforderungen, vor allem, was den Rebbau betrifft. Hier lerne ich immer wieder dazu.
Aber die eigentliche Herausforderung liegt im Verkauf der Weine. Wir exportieren heute immer noch 70 bis 80 Prozent. Leider kennt man ausserhalb Ungarns höchstens Tokajer. Dass auch noch wunderschöne trockene Weissweine produziert werden oder wie im Fall unserer Region, qualitativ hochstehende Rotweine, weiss ausserhalb Ungarns fast niemand. Michael Broadbent hat bereits im Jahr 2000 in Bezug auf den Cabernet Franc festgestellt, dass diese Rebsorte seine neue Heimat in Villány gefunden hat. Leider schaffen wir (die Winzer) es bisher nicht, dies international zu kommunizieren. National ist das kein Problem, da, wie in der Schweiz, die meisten Weine im Land selbst – vor allem in Budapest – getrunken werden.
 
Wie hoch ist der Anteil, den Sie in der Schweiz verkaufen?
Etwa die Hälfte der Produktion.
 
Wie lautet Ihr Schlusswort?
Ich habe es bereits angetönt. Meine Frau hat dadurch, dass Sie das Weingut aufgebaut hat, meinen Traum verwirklicht. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Ansonsten vielleicht auch noch der Hinweis, dass es sich lohnt, die Region zu besuchen und die Weine zu verkosten. Wir selbst haben in Villány eine Weinbar und bieten zudem in Siklós Übernachtungsmöglichkeiten inmitten unserer Rebberge an.


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