2013-10-05

Schweiz 2060: Wie heiss wird es werden?

Das Schweizer Klima ändert sich schon heute und gemäss aktuellen Klimamodellen werden sich diese Änderungen in Zukunft noch beschleunigen. Dieser Bericht gibt eine Übersicht, wie sich das Klima in den Grossregionen und für verschiedene Höhenlagen der Schweiz im Jahr 2060 von demjenigen heute und der Vergangenheit unterscheiden dürfte. Die Auswertungen basieren auf den Schweizer Klimaszenarien CH2011.

Es ist nicht mehr zu leugnen: Senkt die Menschheit ihre Treibhausemmissionen nicht rapide, droht der Erde ein drastischer Klimawandel. Alle Schweizer Regionen müssen mit wärmeren Temperaturen rechnen.

Wie warm es in den einzelnen Regionen um 2060 sein wird, darüber kann der Bericht «Klimaszenarien Schweiz – eine regionale Übersicht» vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie «MeteoSchweiz» zuverlässige Angaben machen: Die mittlere Temperatur beträgt in Bern dann voraussichtlich 18,9 bis 20,6 Grad anstatt wie heute 17,2 Grad. In den Jahren 1961 bis 1990 betrug sie noch 16,2 Grad. Damit wäre es Mitte des 21. Jahrhunderts 2,7 bis 4,4 Grad wärmer als noch vor fünfzig Jahren – ein drastischer Temperaturanstieg.

Überall wärmer: Im Sommer...
Die Folge: Hitzewellen werden im Sommer sehr wahrscheinlich viel häufiger. In den Voralpentälern nehmen die Sommertage (mit Maximaltemperaturen über 25 Grad) um fast vier Wochen zu, von heute 40 auf rund 68 Tage. Und gleichzeitig verlängert sich die Vegetationsperiode, in der Pflanzen aktiv wachsen, auf allen Höhenlagen der Voralpen um 25 bis 40 Tage. Dies könnte durchaus positive Nebeneffekte für die Landwirtschaft haben, sofern ausreichend Wasser und Nährstoffe im Boden vorhanden sind. Allerdings dürften längere Trockenperioden diesen Vorteil wieder zunichte machen.

...wie im Winter
Auch der Winter wird deutlich wärmer: Um 2060 findet man in Luzern mittlere Temperaturen von 2,6 bis 4,5 Grad anstatt wie heute 1,2 Grad (1961-90: 0,6 Grad). Der Pilatus bliebe zwar wegen seiner Höhe von 2106 Metern über Meer noch unter der Nullgradgrenze, doch dürfte es dort im Winter so warm sein wie heute auf dem 700 Meter tiefer gelegenen Napf. Die Frosttage (Minimaltemperatur ist unter null Grad) dürften um 25 bis 45 Tage abnehmen – in den tieferen Lagen reduzieren sie sich damit um fast die Hälfte.

Starke Unsicherheiten bei Niederschlags-Szenarien
Im Gegensatz zur Temperatur sind regionale Szenarien zu Niederschlägen, Wind oder Bewölkung sehr viel schwieriger zu modellieren: «Niederschläge sind oft kleinregional und überall unterschiedlich», sagt der Klimatologe Stephan Bader. Im Sommer sei der Trend hin zu weniger Niederschlag eindeutiger: «Gemäss aktueller Szenarien werden die Sommer trockener», sagt Bader. In Luzern könnte im Sommer damit im Schnitt bis zu 110 Millimeter weniger Regen fallen als heute. Für den Winter lässt sich kein eindeutiger Trend bestimmen, die Unsicherheiten sind zu gross.

Die Klimawissenschaftler erwarten, dass sich mit der Erwärmung auch Wetterextreme verändern. Dass Hitzewellen zu- und Kältewellen abnehmen, gilt dabei als sehr wahrscheinlich. Für andere Extremwetter-Ereignisse sind derzeit noch keine zuverlässigen Szenarien möglich. Wie häufig und stark künftig Hagelstürme, Gewitter oder extreme Sturmwetterlagen wie «Lothar» in Zukunft auftreten können, sei laut Stephan Bader sehr schwierig zu sagen: «Weil solche Einzelwetterlagen selten vorkommen und sich meist für kurze Zeit auf ein bestimmtes Gebiet begrenzen, lässt sich kein eindeutiger Trend bestimmen – es fehlen die Daten.»

Bisher vermutet man, dass Stürme in Europa generell zwar seltener auftreten werden, deren Intensität aber zunehmen wird. Ob Hochwasser künftig häufiger auftreten, kann die Wissenschaft ebenfalls noch nicht endgültig sagen. Im Winter dürfte eine Zunahme aber wahrscheinlich sein. Betroffen wären dann vor allem das Mittelland und die Voralpen.

Die komplizierte Topographie der Schweiz als Problem
Eine der Schwierigkeiten bei regionalen Klimaszenarien sei es, lokale Rückkopplungen in einem Klimamodell zu beschreiben, sagt Andreas Fischer, Klimawissenschaftler in der Abteilung Klimavorhersagen bei «MeteoSchweiz». Damit meint er beispielsweise den Einfluss der Gebirgstopographie auf Windströme, lokale Austauschprozesse zwischen dem Boden und der Atmosphäre oder auch der lokale Einfluss von Wolken auf die Strahlung – all das kann eine Rolle spielen. Für ein gebirgiges Land wie die Schweiz mit seinen vielen unterschiedlichen Mikroklimata sind Szenarien daher ungemein komplizierter: «Es ist viel einfacher, Szenarien für Holland zu modellieren als für ein Tal in der Schweiz», sagt sein Kollege Stephan Bader.

Zusammen mit den Änderungen der mittleren Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse ist auch eine Änderung der Wetterextreme zu erwarten. Grafiken geben eine Übersicht der möglichen zukünftigen Änderungen von verschiedenen Wetterextremen. Die Änderung ist für einige Grössen relativ sicher und deutlich (z.B. für Hitze- und Kältewellen), das heisst die Prozesse sind bekannt und werden von den Modellen erfasst, während sie für andere sehr unsicher ist, das heisst die Prozesse werden in Modellen zum Teil schlecht oder gar nicht erfasst (Hagel und Tornados). Deshalb wird für jedes Extremereignis auch angegeben, wie gut das Verständnis der beteiligten Änderungsprozesse ist. Die Änderungen sind nicht für alle Extreme in allen Jahreszeiten gleich (z.B. Trockenperioden). Deshalb zeigt die Grafik auch, für welche Jahreszeit die Aussage gilt.

  • Hitzewellen und warme Extreme werden mit hoher bis sehr hoher Wahrscheinlichkeit stark zunehme
  • Kältewellen und kalte Extreme werden mit hoher Wahr- scheinlichkeit abnehmen
  • Starkniederschläge werden eher zunehmen, starke Schnee- fälle dürften in tiefen Lagen eher abnehmen
  • Trockenperioden dürften vor allem im Sommer zunehmen, in den anderen Jahreszeiten gibt es kaum Hinweise auf grössere Veränderungen
  • Hagel und Tornados sind sehr kleinräumige Prozesse und können von den heutigen Modellen nicht sinnvoll abgebildet werden – deshalb fehlen Hinweise über mögliche Veränderungen

 


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Weltklimarat untermauert seine Warnungen in seinem neusten Bericht

Der im Frühjahr publizierte «MeteoSchweiz»-Bericht liefert Szenarien für die Regionen Jura, Mittelland, Voralpen, Alpen und Alpensüdseite basierend auf den Daten aller relevanten Studien des Sachbestandsberichts des UNO-Klimarates (IPPC). Diese Woche erschien der erste Teil des neusten IPCC-Berichts, der die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zusammenfasste. Er untermauerte dabei die Warnungen der früheren Berichte. Derzeit erscheint es nicht realistisch, dass die Weltwirtschaft ihre Emissionen rapide drosselt. Das wäre aber nötig, um das erklärte Ziel einer maximalen Erwärmung um zwei Grad Celsius zu erreichen.

Bereits heute ist eine Veränderung des Klimas in der ganzen Schweiz feststellbar: Seit 1900 stiegen die Durchschnittstemperaturen um 1,6 Grad Celsius – rund eineinhalb Mal so stark wie auf dem Rest der Nordhalbkugel. Als direkte Folge sind die Gletscher teilweise dramatisch geschmolzen, die Schneebedeckung ist vor allem im Mittelland zurückgegangen, wohingegen die Sommertage stark zugenommen haben.