2023-06-03

Zum Wohl – auf die Robusten

Sieht so die Zukunft des nachhaltigen Rebbaus aus? Zu Besuch auf drei Bio-Weinbaubetrieben, die ganz auf pilzwiderstandsfähige Rebsorten setzen.


Piwi-Pionier aus dem Stammertal: Fredi Strasser, www.stammerberg.ch. (Bilder zVg)

Fredi Strasser, 64, Winzer in Oberstammheim/ZH, darf das auch ein wenig als seinen Erfolg betrachten: Seit Anfang Jahr kann der Bund die Pflanzung von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten (siehe ganz unten) finanziell unterstützen. In einem Schreiben heisst es: «Das Ziel dieser Förderung ist der vermehrte Anbau von krankheitsresistenten Rebsorten, um dadurch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.» «Endlich», sagt Strasser, «diese Förderung dürfte der weiteren Verbreitung der Piwis helfen.»

Seit seinem Agronomiestudium an der ETH Zürich in den frühen 1980er-Jahren hat Strasser für eine biologische Land- und Rebwirtschaft gekämpft – als Wissenschafter, als Lehrer sowie als Berater und nicht zuletzt als Bauer und Winzer. Früh hat er sich auch für die Pflanzung von Piwis starkgemacht, für die damals eine Sonderbewilligung nötig war, weil sie auf der Liste zugelassener Sorten des Bundes nicht vorkamen. Bei der Abschaffung dieser Liste 1994 war Strasser eine treibende Kraft, zusammen mit Politikern wie dem Bündner Bio-Bauer und Nationalrat Andrea Hämmerle. «Die Vorbehalte gegenüber den Piwis waren gross, in der Agrar- bürokratie und in der Branche», erinnert sich Strasser.

Der Anteil der Piwis wächst stetig
Bereits 1989 hat er seinen Familienbetrieb auf Bio-Rebbau umgestellt und in einem anerkannten Grossversuch erste resistente Reben gepflanzt – Maréchal Foch, Léon Millot, Seyval Blanc und Muscat Bleu. Heute stehen auf neun Hektaren, verteilt auf Rebberge in Nussbaumen/TG und in Oberstammheim/ZH, 20 Piwi-Sorten.

In den Reben nahe dem Betrieb über dem malerischen Dorf fasst Strasser sein Credo zusammen: «Wir wollen die Kräfte der Natur so nutzen, dass es der Natur auch gut geht, der Rebberg voll Leben ist. Es geht um stabile, vielfältige Agrar-Ökosysteme. Dafür sind pilzresistente Rebsorten die wichtigste Voraussetzung.» Den Betrieb hat er nun einem Sohn übergeben, seine Erkenntnisse und Erinnerungen hat Strasser in einem gut lesbaren Buch festgehalten. Die Familie Strasser arbeitet auch mit Roland Lenz zusammen, der im nahen Iselisberg/TG hoch über der Thur seinen Bio-Piwi-Betrieb führt, den grössten in der Schweiz. Er ist heute eine der treibenden Kräfte dieser Bewegung.

Der Flächenanteil der Piwis am Rebbau ist in den letzten Jahren markant gewachsen. Im Thurgau machen sie heute 17,7 Prozent der gesamten Rebfläche von 240 Hektaren aus (2017: 9 Prozent), in St.Gallen sind es 10,7 Prozent von 213 Hektaren (2019: 7,7 Prozent). Den höchsten Bestand weist Luzern auf, 34 Prozent von 75 Hektaren. Schweizweit waren 2021 jedoch erst etwa 3 Prozent der Rebflächen mit Piwis bestockt, was daran liegt, dass in den grossen Rebbaugebieten der Romandie ihr Anteil sehr gering ist.

Die Winzerin Fabia Knechtle Glogger, 38, empfindet die Umstellung auf einen ökologischen Rebbau als «extrem schleppend». Sie betreibt seit 2017 mit ihrem Mann René Glogger, 61, einen eine Hektare grossen Bio-Weinbaubetrieb am Buchberg in Thal/SG. Im steilen Rebberg über dem Dorf hat man einen schönen Blick ins Rheintal. «Bei dieser Umstellung sind die Produzenten in der Verantwortung», sagt Knechtle, ausgebildete Umweltingenieurin. Zumal es am politischen Willen zur Reduktion synthetischer Pflanzenschutzmittel fehle. «Gegenüber dem Bio- und dem Piwi-Weinbau kursieren aber auch immer noch Vorurteile; man muss vieles erklären.»

Fabia Knechtle Glogger und René Glogger keltern im Rheintal, www.biowein-knechtleglogger.ch.

Knechtle und Glogger konnten den Betrieb von Edy Geiger übernehmen, ebenfalls ein Piwi-Vorkämpfer. Auch sie setzen ausschliesslich auf diese Sorten, rund zehn verschiedene. «Ihnen gehört die Zukunft eines ökologischen Weinbaus», sagt Knechtle. Die beiden Quereinsteiger legen grossen Wert auf hohe Biodiversität, lebendigen und gesunden Boden und verzichten fast ganz auf Pflanzenschutzmittel. Erst wenn es nicht mehr anders geht, setzen sie Mittel wie Fenchelöl, Tonerde, Schachtelhalm und punktuell minimale Mengen an Schwefel ein, nicht aber Kupfer.

Authentische Weine keltern
Ähnlich aufgestellt ist das Wyguet Terret in St. Erhard/LU, das seit 2004 von einem fünfköpfigen Team um Ruedi Meyer (Weinbau Meyer) betrieben wird. Es hat am Santenberg mit Blick auf Mauensee und Wauwilermoos einen Rebberg angelegt, auf dem nun rund zehn Piwi-Sorten wachsen. Der Betrieb wird heuer biozertifiziert. «Wir waren überzeugt – und sind es noch –, dass dies der nachhaltigste Weg in die Weinbauzukunft ist», sagt Meyer, 56.

Ruedi Meyer sieht in Piwis den nachhaltigsten Weg in die Weinbauzukunft, www.weinbaumeyer.ch.

Zudem hätten sie eine Nische besetzen, also nicht noch mehr vom Gleichen produzieren wollen. «Unsere Weine sollen deshalb auch authentisch sein und nicht einen der traditionellen Weine imitieren. Sie sollen neue Geschmackserlebnisse ermöglichen.» Sich auf Piwi-Weine einzulassen, setze bei den Konsumenten eine gewisse Neugier voraus.

Tatsächlich sind Vorbehalte gegenüber ihrer Qualität so alt wie die Sorten selbst – aber längst überzeugend widerlegt. Meyer stellt fest: «Gerade jüngere Konsumenten sind offen für unsere Weine, interessieren sich für unsere Art des Weinbaus.» Generell würde der Markt ja auch beim Wein immer mehr nach Bio fragen. Was den Anteil der Piwi-Weine angeht, sagt er aber auch: «Daran müssen wir noch arbeiten.»

(Quelle: Urs Bader, Thurgauer Zeitung)


Zurück

Piwi-Reben wehren sich selbst

Die Abwehrkraft von Rebsorten, die gegen Pilzkrankheiten widerstandsfähig sind (Piwi), entspringt der gezielten Kreuzung von amerikanischen oder asiatischen Wildreben mit «Europäern» wie Cabernet Sauvignon oder Riesling. Die robusten Sorten können Stoffe und Mechanismen entwickeln, um Pilzbefall selbst zu bekämpfen. Dies minimiert deutlich den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, womit auch weniger Treibstoff für Spritzfahrten verbraucht und damit weniger CO2 ausgestossen wird. Pilzkrankheiten sind etwa der Falsche und der Echte Mehltau. Die am weitesten verbreiteten Piwi-Sorten sind bei den weissen Gewächsen Johanniter, Solaris und Souvignier gris, bei den roten Divico und Cabernet Jura. (ub)

Wie robust sind Piwi-Reben?

Piwi-Sorten – der neue Weingeschmack

Weitere Beiträge über Piwi-Sorten

 

 


 

Buch-Tipp

Fredi Strasser, Franziska Löpfe: ?Pilz- resistente Traubensorten. Reben biologisch pflegen, naturreinen Wein geniessen, Haupt Verlag, Bern 2020.

Weitere Infos zum Buch

Pierre Basler: Piwi-Rebsorten. Neben Sortenbeschreibungen und Informationen für die Weinbereitung von Piwi-Sorten behandelt das Buch auch das Thema Tafeltrauben. Zudem ist ein kurzer Einblick in die Geschichte dieser Rebsorten aufgezeichnet worden.

Weitere Infos zum Buch